Zurückbehaltungsrecht von Versorgungsleistungen in der Insolvenz

 

Eine selbstnutzende Sondereigentümerin in Dresden hatte umfangreiche Wohngeldschulden, die rechtskräftig tituliert waren. Die Wohnungseigentümergemeinschaft entschloss sich, da die Zwangsvollstreckungen allesamt fruchtlos verliefen, zur Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes mit der Versorgung von Heizung, Warmwasser und Wasser, wobei eine Abstellung der Medien lediglich durch Zutritt zur Sondereigentumseinheit ermöglicht werden konnten. Die WEG reichte Klage auf Zutritt und Duldung ein, welche durch 3 Instanzen geführt wurde. Während der Verfahren vor dem Amtsgericht und Landgericht Dresden, die insoweit das Zutrittsrecht und die Duldungspflicht zum Zwecke der Abstellung der Medien bejahten, wurde die Zwangsverwaltung über die Liegenschaft eröffnet. Die Sondereigentümerin geriet in Verbraucherinsolvenz. Die Forderungen, die zur Stützung der Zurückbehaltungsrechte rechtskräftig tituliert waren, waren durch die WEG in der Insolvenz zur Tabelle angemeldet und von der Insolvenzverwaltung anerkannt worden.

 

Gleichwohl hielt die WEG ihren Rechtsanspruch auf Geltendmachung der Zurückbehaltungsrechte und Duldung zum Zutritt im gesamten Instanzenzug aufrecht, wobei das Oberlandesgericht Dresden (Az: 3 W 0082/07) unter dem 12.06.2007 zugunsten der WEG entschied:


„Mit der Zwangsverwaltung ist das Recht der Wohnungs-eigentümer zur Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten nicht ausgeschlossen. Die Vorschriften des ZVG regeln nur das Verhältnis zum Zwangsverwalter und den betreibenden Gläubiger, nicht aber das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander. Diese Beziehung unterliegt anderen Regeln. Insbesondere stört die Versorgungssperre auch die Befriedigungsreihenfolge in der Zwangsverwaltung nicht. Denn das Zurückbehaltungsrecht der Wohnungseigentümer betrifft nicht die Wohnung als solche (die der Zwangsverwaltung unterliegt), sondern nur die Nutzungsmöglichkeit der Sondereigentümerin.

 

Auch das Insolvenzverfahren steht dem Zurückbehaltungsrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich nicht entgegen. Aus den Regelungen der Insolvenzordnung ist nicht zu entnehmen, dass während der Insolvenz oder Wohlverhaltensperiode ein Gläubiger nicht berechtigt sein soll, zu seinen Gunsten bestehende besondere Umstände auszunutzen, um z.B. Befriedigung gesondert zu suchen.

 

Der bloße Umstand, dass die WEG möglicherweise auf dem Umweg über das Zurückbehaltungsrecht eine bessere Befriedigungs-möglichkeit erhält, als die übrigen Insolvenzgläubiger, ist grundsätzlich unschädlich. Allenfalls dann, wenn die WEG das Zurückbehaltungsrecht nur ausübt, um sich einen Vorrang an solchen Geldern zu sichern, welches der Insolvenzverwalter ggf. als Treuhänder auszukehren hätte, wäre dies als unzulässig anzusehen, da hier die gewollte Gleichbehandlung nach der Insolvenzordnung nicht mehr gewahrt wäre. Wenn aber das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird, um die Insolvenzschuldnerin zu zwingen, ihre Schulden durch nicht beschlagnahmten Geldern (z.B. Unterstützung Dritte oder Sozialamt) zu zahlen, so ist dies unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzordnung unbedenklich."

 

Diese Entscheidung (nach diesseitiger Information zwischenzeitlich rechtskräftig) stärkt auf entschiedenste Weise die Wohnungseigentümergemeinschaft dann, wenn ein selbstnutzender Sondereigentümer laufende Wohngelder nicht zahlt und in Insolvenz gerät.

Einerseits hat die WEG die Möglichkeit, den Schuldner „auszufrieren", damit zumindest im Kontext mit laufenden Verbrauchskosten ein Anwachsen der Schuld nicht mehr geschieht. Andererseits kann die WEG mit der wesentlichen Zielrichtung, den in Insolvenz geratenen Sondereigentümer dazu zu bewegen, über Dritte oder über öffentliche Ämter die Ausstände auszugleichen, versuchen, ihre Außenstände einer Befriedigung zuzuführen.

 

 

siehe auch Mitteilung 2011

siehe auch Mitteilung 2008

 

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