Gewährleistung: Zurückbehaltungsrecht trotz Klage der WEG

1.
Herrschende Rechtsprechung ist es, dass jeder Wohnungseigentümer aus seinem einzelnen Erwerbsvertrag heraus gegenüber dem Bauträger die Gewährleistungsrechte in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum geltend machen kann.

Der einzelne Wohnungseigentümer kann also - soweit die WEG nicht durch Beschluss die Handlungskompetenz an sich gezogen hat - die Gewähr-leistungsrechte der Nachbesserung, Selbstvornahme und Kostenvorschuss geltend machen.

Daneben besteht selbstverständlich auch das Recht auf großen Schaden-ersatz, der von Handlungen der WEG nicht berührt wird.

 

Oft genug stehen allerdings im Zeitpunkt des Streits über Gewährleistungs-ansprüche auch noch Kaufpreisansprüche einzelner Eigentümer aus. Hier kann im Streitfall also der Wohnungseigentümer durch Zurückbehaltungs-rechte an den Kaufpreisen/Werklohnforderungen geltend machen, soweit die WEG noch nicht handelt.

 

Zieht die WEG aber nun im Rahmen ihrer Beschlusskompetenzen die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen an sich, so ist ebenfalls herrschende Rechtsmeinung, dass hiernach dann (mit Ausnahme des großen Schadenersatzes/Rücktritt) die einzelnen Wohnungs-eigentümer in Bezug auf primäre Gewährleistungsrechte keine Handlungskompetenz mehr haben.

Die Kompetenz zur Rechtsausübung liegt dann bei dem Verband. Dies unabhängig davon, ob die Wohnungseigentümer dies befürworten oder nicht.

 

Fraglich war allerdings, ob mit der Ansichziehung der Handlungskompe-tenzen durch die WEG auch ein Zurückbehaltungsrecht des einzelnen Eigentümers in Bezug auf die noch offen stehenden Kaufpreise/ Werklohnforderungen entfällt.


2.
In seiner Entscheidung vom 02.03.2010, Az: 21 W 8/10, stellte nun das Oberlandesgericht Düsseldorf klar, dass das Zurückbehaltungsrecht wegen Mängel am Gemeinschaftseigentum nicht prinzipiell dadurch berührt wird, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschluss die Geltend-machung der Gewährleistungsansprüche an sich zieht.

 

In dem zu entscheidenden Fall hatten Eigentümer Zurückbehaltungsrechte ausgeübt, während die WEG gerichtlich wegen Kostenvorschüssen auf Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum gegen den Bauträger vorging.

 

Der Bauträger seinerseits hatte die einzelnen Eigentümer auf Zahlung der Restkaufpreise verklagt und wandte in der Zahlungsklage ein, dass etwaige Zurückbehaltungsrechte der einzelnen Eigentümer aufgrund der Beschluss-fassung der WEG nicht mehr geltend gemacht werden könnten.

 

Dies sah das Oberlandesgericht Düsseldorf jedoch anders.

 

Das Recht, ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen zu können, ruhe - so das Oberlandesgericht Düsseldorf - auf dem geschlossenen Vertrag mit dem Werkunternehmer. Insoweit könne der Bauträger gegenüber der WEG auch keine Vergütungsansprüche geltend machen, weil diese in Ermangelung vertraglicher Beziehungen zum Bauträger nicht passiv legitimiert wäre.

 

Würde man das Erlöschen eines Zurückbehaltungsrechtes des einzelnen Wohnungseigentümers bejahen, so würde dies zu einem vollständigen Rechtsverlust bei dem einzelnen Wohnungseigentümer führen, was allerdings nicht Sinn der Rechtsprechung zur Teilrechtsfähigkeit und zur Einzugsberechtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft sein könne.

 

Etwas anderes gelte nur, wenn eine mangelhafte Werkleistung nicht von dem Unternehmer nachgebessert werden solle, sondern stattdessen Minderungsansprüche formuliert würden.


3.
Das Urteil ist in seiner Praxisrelevanz nicht zu unterschätzen, da die Situation, dass einzelne Wohnungseigentümer noch anteilige Kaufpreise dem gewährleistungspflichtigen Bauträger verschulden, wohl des öfteren auch bei Gewährleistungsstreitigkeiten zu beobachten ist. Mitunter versucht sogar der Bauträger die einzelnen Eigentümer untereinander mit Verweis auf noch offene Werklohnansprüche auszuspielen.

 

Mit der Anerkennung des Rechtes zur Geltendmachung von Zurückbe-haltungsrechten auch dann, wenn die WEG gegen den Bauträger aus Gewährleistungsrechten vorgeht, dürfte die oben angesprochene Art der Auseinandersetzung zwischen Bauträger, Eigentümern und WEG hiernach ein Stück entschärft sein, da gerade diese Diskussionen mit Verweis auf ein bestehendes Zurückbehaltungsrecht relativ schnell erledigt sein sollte.

 

Wichtig im Kontext mit der Bezifferung des Zurückbehaltungsrechts ist allerdings, dass die Summe der zurückbehaltenen Werklohnforderungen/ Kaufpreise in Summe nicht mehr als das 3- bis 5-fache der Mängelbeseiti-gungskosten ausmachen. Hier obliegt es den Eigentümern, sich unter-einander entsprechend zu verständigen.